„Es ist so angenehm, zugleich die Natur und sich selbst zu erforschen, weder ihr noch dem eigenen Geist Gewalt anzutun, sondern beide in sanfter Wechselwirkung miteinander ins Gleichgewicht zu bringen.“
(Johann Wolfgang von Goethe)
(Texte/Illustration: Susanne Wirsching)
In den östlichen Heilkünsten der TCM, so auch im Jin Shin Jyutsu geht man von fünf Jahreszeiten und den dazugehörigen fünf Elementen aus. Diese werden in der TCM z.B. den Meridianen bzw. im JSJ den Organströmen zugeordnet, sowie weiteren Qualitäten, Eigenschaften, Geschmacksrichtungen usw. Hier ein kleiner Einblick.
Zur Unterstützung gibt es für jede Jahreszeit, wer möchte, einen JSJ-Selbsthilfegriff. Einfach ausprobieren!
Eine weitere Sicht auf die Elemente / Einstellung finden Sie im Blog: JSJ & Zitate oder auch unter eine Energie, zwölf Räume.
Die Kraft des Frühlings
Jetzt ist er da, der Frühling. Sichtbar und spürbar, nach einem langen Winter, erwacht nun alles zu neuem Leben. Das entsprechende Element ist Holz und steht für Wachstum, Vitalität, Dynamik, Flexibilität, Spontanität und Kreativität.
Wenn wir uns im Winter wirklich regeneriert und unsere Wurzelkräfte geschont haben, dann ist jetzt die schönste Zeit für Ausdehnung, für neue Ideen und Projekte. Da ist kein Platz für Frühjahrsmüdigkeit. Jetzt möchten die enormen Kräfte sich entfalten und benötigen hierfür viel freien Raum.
Druck und Enge hingegen führen zu Stagnation, wirken sich besonders belastend auf die dem Frühjahr zugeordneten Organströme Leber- und Gallenblasenfunktionsenergie aus. Wird diese kreative Schöpferkraft in uns blockiert, etwa durch Stress und einengende Lebensumstände oder erfahren wir Begrenzung auf geistiger Ebene durch uns selbst, unsere Arbeit oder unser Umfeld, so kann dies zu Frustration und Depression oder Wut und Ärger führen. Der Volksmund kennt Sätze wie: „Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen“, „Mir kommt die Galle hoch“, „Gift und Galle spucken“.
In der Natur steht jetzt alles auf Neubeginn und pulsierende Schaffenskraft. Die Säfte fliessen aus den Wurzeln und dehnen sich aus. Es ist die Kraft, die uns als Mensch die Fähigkeit schenkt, beweglich und weich zu bleiben, körperlich und geistig. Es ist das Bild eines jungen Astes, biegsam und flexibel im Wind und doch stabil und fest (in Asien: Symbol des Bambus). So ist diese Energie auf der Körperebene u.a. den Sehnen, Bändern, Gelenken und dem Blut zugeordnet – unserer inneren und äusseren Beweglichkeit und Gelenkigkeit. Es ist die Kraft, die alles in uns am Fliessen hält!
Überall sprießen jetzt die zarten Blätter, die Knospen „knallen explosiv“. Neues darf erblühen, damit im Sommer die süßen Früchte in Fülle an den Bäumen hängen.
Was strebt in mir nach Ausdehnung? Wo darf meine Kreativität sich unbegrenzt entfalten? Wo erlaube ich mir neue „Handlungs-Spiel-Räume“?
Wenn ich im Herbst und Winter begonnen habe, tief in mich hinein zu spüren, an meine „Wurzeln“ (Wurzelkraft), dann habe ich ein Gefühl dafür bekommen, was stimmig für mich ist und was zurückbleiben kann, um so genügend Freiraum zu schaffen, damit jetzt Neues erblühen darf.
Ganz gleich ob nun zaghaft zart grün oder mit der dynamischen Kraft ausschlagender Bäume. Mit der Beharrlichkeit aufspriessenden Gräser durch die meist noch harte Erde oder einfach diesem inneren Impuls folgend, wie prallgefüllte Blütenknospen, die uns wie „knallende Sektkorken“ in Feierlaune versetzen. Es ist die Kraft des Auf- und Durchbruchs, der Auferstehung und des Neuanfangs (Ostern). „Tanzen“ Sie mit, wenn es heißt „alles neu, macht der Mai“*…
Lassen Sie sich von der frischen Energie des Frühlings inspirieren! Die Natur macht es vor.
Wenn Sie diese Kraft mit JSJ unterstützen möchten, dann probieren Sie nachfolgenden Selbsthilfe-Griff: Halten Sie wie das Mädchen auf dem Bild, mit der rechten Hand das linke SES 22 (unterm Schlüsselbein) und mit der linken Hand das linke SES 14 (unterhalb des Rippenbogens). Vielleicht fühlen Sie unter ihren Händen ein Pulsieren – halten Sie den Griff so lange es Ihnen angenehm ist. Die Sequenz kann gerne auch für die andere Körperseite angewendet werden. Vielleicht nutzen Sie die Selbsthilfe auch gerade dann, wenn Sie derzeit ein Gefühl von Stagnation haben, es Ihnen schwer fällt Entscheidungen zu treffen und/oder Sie eine tiefe Erschöpfung in sich spüren. Jin Shin Jyutsu ist eine Harmonisierungskunst!
„Jede sprossende Pflanze die mit Düften sich füllt, trägt im Kelch das ganze Weltgeheimnis verhüllt”
(Emanuel Geibel)
Jin Shin Jyutsu Selbsthilfe-Tipp zur Sommerzeit
Der Sommer mit seiner bunten Blütenpracht und Vielfalt ist dem Element Feuer zugeordnet, auf einer anderen Ebene repräsentiert er u.a. auch die Herzfunktionsenergie.
Wenn es so richtig heiß ist, ist ein kühlendes Fussbad erfrischend und belebend, jedoch nicht immer in greifbarer Nähe. Eine dafür greifbare Alternative ist folgender JSJ-Selbsthilfe-Griff, probieren Sie es einfach aus:
Die rechte Hand hält ganz ohne Druck die linke Schulter (SES 11) und die linke Hand berührt den linken Sitzbeinhöcker (SES 25) – ganz gleich ob im Stehen, Sitzen oder Liegen. Diese Sequenz können Sie auch für die andere Körperseite anwenden. Halten Sie es so lange es Ihnen bequem ist.
Ihnen eine genussvolle und „herzerfrischende“ Sommerzeit!
„Wohin Du auch gehst, geh mit Deinem ganzen Herzen“
(Konfuzius)
Das Dolce Vita des Spätsommers
Wenn die Sonne nicht mehr so hoch steht, dafür auf den Feldern die kleinen „Sonnen“ strahlen, ist die Zeit des Spätsommers gekommen.
Nachdem die Natur sich im Sommer komplett ausgedehnt hat, kommt jetzt im Spätsommer alles zu seiner vollen Reife. Getreide, Gemüse und Früchte erhalten ihre „Süße“. Es ist der Wendepunkt in der Natur – eine Zeit der Reflexion.
Auf einer anderen Ebene ist der Spätsommer dem Element Erde zugeordnet – dem nährenden Prinzip. Das Erdelement nimmt eine Sonderstellung ein, da es für alle anderen Elemente unter anderem nährende Quelle ist.
Was nährt mich? Wann verspüre ich die „Süße“ des Lebens? Was trägt mich, was erdet mich? Wo habe ich Boden und wo entzieht es mir diesen?
Erlaube ich mir in Ruhe die Zeit bis zur Reife (Süße) oder ernte ich zu früh. Reihe ich Dinge nur aneinander, ohne zu reflektieren ob es sich für mich und meinen Körper stimmig anfühlt.
Erde entspricht der Magen-/Milz-Energie und wird dem Geschmack „süß“ zugeordnet. Wir verdauen nicht nur Nahrung, sondern all unsere Gedanken, Gefühle, Emotionen, Ereignisse jeglicher Art. Der Volksmund weiß davon, wenn es heißt „das schlägt mir auf den Magen“, „den Schock erst verdauen“, „liegt wie ein schwerer Stein im Magen“, „ein flaues Gefühl im Bauch“, „aus dem Bauch heraus handeln“, „das fühlt sich gut an“, „Schmetterlinge im Bauch“, u.v.m.
Wann fühle ich dieses wohlig wärmende Gefühl des „genährt seins“ – bei einem guten Essen in angenehmer Runde, bei einer Tätigkeit in einem kreativen, kooperativen Umfeld, einem motivierenden Gespräch, einem Entspannungsabend, einem mitreißenden Seminar oder bei einem packenden Projekt…? Oder ist da ein Gefühl innerer Unruhe, Druck und Kälte. Benötige ich als Ersatz von „Süße“ ständig Süßigkeiten, weil beispielsweise das Essen und meine Arbeit mich nicht ausreichend nähren?
Diese Kraft steht für alle Wandlungsphasen und Veränderungsprozesse. So macht es vielleicht Sinn, sich seiner ganz persönlichen „Nähr-Werte“ bewusst zu werden. Um dann, Nährendes zu halten, bereit sein sich auf Neues einzulassen. Dinge wenn nötig zu wandeln, zu verändern und auch loszulassen. Wie die Kraft im Herbst wenn die Natur all ihre Blätter fallen lässt.
Nachfolgender JSJ-Kurzgriff ist -neben vielem mehr- dem Solarplexus (Sonnengeflecht) zugeordnet. Der Sonne in mir. Immer dann, wenn ich „Sonne“ benötige, dieses Gefühl von „Dolce Vita“, meine Mitte stärken möchte, dann ist es Zeit für diesen angenehm wärmenden Griff. Probieren Sie es einfach aus!
Halten Sie, mit der rechten Hand das linke SES 13 (Herzebene) und mit der linken Hand das rechte SES 14 (unterhalb vom Rippenbogen). Vielleicht fühlen Sie unter ihren Fingern ein Pulisieren – halten Sie den Griff so lange es Ihnen angenehm ist. Achten Sie dabei auch auf Marys Worte, „Sei das Fallenlassen deiner Schultern…“. Die Sequenz kann auch für die andere Körperseite angewendet werden.
Der Herbst und die bunten Farben
Mit dem Herbst beginnt die Zeit des Rückzugs und der Stille. Die Tage werden kürzer und die Natur zieht sich langsam zum regenerieren zurück. Doch zuvor präsentiert sie noch einmal die ganze Fülle ihrer leuchtenden Farben und schenkt uns reiche Ernte (Erntedank).
Beim Spaziergang in der Natur, wenn die Sonne mit ihrem warmen Licht die Bäume durchflutet und der Wind kräftig weht, wird es sichtbar und spürbar, wofür diese Zeit steht.
Die Natur lässt einfach los – mühelos fallen die bunten Blätter. Der Herbst steht für Abschied, das Ende eines Zyklus und doch ist im Loslassen gleichzeitig die Chance, Raum für Neues zu kreieren. So lassen Bäume nicht nur Blätter fallen sondern auch viele neue Samenkörner.
Der Herbst ist dem Element Luft zugeordnet und so nehmen die immer stärker werdenden Winde nicht nur das restliche Laub von den Bäumen, sondern auch wir können unsere Gedanken „durchpusten“ lassen, um in uns Klarheit zu schaffen und uns auf Wesentliches zu konzentrieren.
Bäume halten nicht fest, voller Vertrauen lassen sie los, sie wissen von den Zyklen, daß nach jedem Winter ein neuer Frühling erwacht. Jedes Ende ist der Samen für einen Neubeginn.
Was kann ich getrost loslassen, was hat Substanz und möchte „überwintert“ werden. Wo kann ich neue Samen säen, die vielleicht im Frühjahr schon zu voller Blüte sich entfalten.
Im JSJ gibt es das Sicherheitsenergieschloss (SES) 9, mit der Bedeutung: Ende eines Zyklus, ist der Anfang eines neuen“. Das SES 9 liegt im Rücken, zwischen dem unteren Ende des Schulterblatts und der Wirbelsäule. Das SES 9 selbst zu halten kann mühsam sein, deshalb folgender Selbsthilfe-Tipp.
Halten Sie, wie das Mädchen auf dem Bild, mit der rechten Hand das linke SES 19 (Ellenbogen-Daumenseite) und mit der linken Hand das rechte SES 14 (unterhalb vom Rippenbogen). Vielleicht fühlen Sie ein pulsieren unter ihren Fingern. Halten Sie den Griff so lange es Ihnen angenehm ist. Die Sequenz kann auch für die andere Körperseite angewendet werden.
Probieren Sie den Kurzgriff einfach aus. Vielleicht auch gerade dann, wenn ich nicht mühelos loslassen kann, wenn ich ein Gefühl von „feststecken“ habe, wenn ich die Qualität von Herbst und Winter nicht als tiefe Regeneration und Rückbesinnung sehen kann, sondern schon jetzt Angst und Trauer* empfinde, vor der „dunklen“ Jahreszeit. Auch immer dann wenn ich meine Atmung unterstützen möchte und noch für vieles mehr.
Alles hat seine Zeit – Ihnen eine schöne und „goldene“ Herbstzeit!
„Was die Raupe als Ende der Welt bezeichnet, das nennt der Meister einen Schmetterling“
(Laotse)
Die Qualität des Winters
Der Winter ist die Zeit der Stille, des Rückzugs und der Regenerantion.
Die Natur macht es uns vor. Nur das Wesentliche “überwintert”, alles andere bleibt zurück. Die Lebenskräfte ziehen sich ganz nach innen zurück, in die Tiefe, zu den Wurzeln. Im Verborgenen unter Schnee und Eis, für niemanden sichtbar kann in aller Stille NEUES entstehen.
Das entsprechende Element ist Wasser, der Ursprung allen Seins. Die dazu gehörenden Organströme sind Nieren- und Blasenfunktionsenergie, die Einstellung ist die Angst.
Das Wasserelement mit seinen Organströmen entspricht u.a. der Phase zwischen dem alten Bekannten und dem neuen Unbekannten. Nur wer Altes ganz loslässt kann sich wirklich für das Neue öffnen. Es steht für alle Übergänge und auch Krisenzeiten.
Wenn das Alte losgelassen bzw. wegbricht und das Neue noch nicht sichtbar ist, entsteht “leerer Raum”. Dieser kann Angst machen und wird oft mit Ablenkungen aller Art gefüllt. Steht statt der Angst das Vertrauen, hat man die Möglichkeit, aus sich heraus Neues zu kreieren.
So wie wir der Natur vertrauen, daß nach jedem Winter – sei er noch so hart – ein neuer Frühling erwacht. Wir täglich beim schlafen gehen darauf vertrauen am nächsten Morgen aufzuwachen. So auch die Raupe die sich vertrauensvoll dem “Nichts” hingibt um ein Schmetterling zu werden.
“Geh ich zeitig in die Leere, komm ich aus der Leere voll.
Wenn ich mit dem Nichts verkehre weiß ich wieder, was ich soll.” …
(Bertolt Brecht)
Erneuerung kann nur entstehen wenn wir innehalten um “Inhalt” zu finden und “inneren Halt”. Ist die äußere Aktion am geringsten, ist das Potential dessen was innerlich werden kann am größten. In der dunkelsten Jahreszeit ist unser Innerstes, unsere Seele am empfänglichsten.
Wir können “Licht ins Dunkel” bringen, es geht uns “ein Licht auf”.
Gerade bei einem stressigen Lebensstil ist es wichtig zur Ruhe zu kommen, sich Zeit für sich und Entspannung zu nehmen. Kann ich Stille halten oder ist es ein aushalten. Brauche ich in jeder freien Minute Ablenkung und Unterhaltung?
Kann ich geschehen lassen, Nichts tun, “Raum schaffen”. Was möchte aus der Tiefe, wie aus einer Quelle an die Oberfläche kommen?
Die Qualität von Wasser ist Fließen. Das Leben ist ein ewiger Fluss, mal ruhig bis spritzig rauschend, mal sanft bis wild, mal klar, mal trüb und auch tief.
Angst lähmt und blockiert den freien Lebensfluss. Wenn wir hören “das geht mir an die Nieren”, bekommen wir ein Gefühl dafür. Hier handelt es sich nicht um oberflächliches. Die Nierenenergie geht tief – bis ins Mark, ans Eingemachte – da lohnt es sich dran zu bleiben, die Situation auf “Herz und Nieren zu prüfen”.
Wenn uns etwas blockiert, lähmt oder sich wie “gefroren” anfühlt, sollten wir innehalten und tiefer eintauchen, über das “Denken” des einordnenden Verstandes hinaus.
Vertrauen und Liebe (Herzenergie) kann Angst lösen. Sind die Energieströme von Blase und Niere in Harmonie, können Ängste überwunden werden.
Dann kann der Frühling kommen, wenn die Sonne (Herzenergie) mit ihren wärmenden Strahlen “Gefrorenes” zum Schmelzen bringt. Das Kräfte sammeln hat sich gelohnt, denn scheinbar aus dem Nichts, bringt die Natur voller Selbstvertrauen wieder Neues aus sich hervor.
“Vertrauen ist eine Oase des Herzens, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird”
(Khalil Gibran)
Mit dem nachfolgenden JSJ-Kurzgriff können Sie die Winterzeit u.a. unterstützen. Wie bei dem Mädchen auf dem Bild, hält die rechte Hand, ganz ohne Druck, die linke Schulter (SES 11) und die linke Hand berührt die linke Leiste (SES 15) – im stehen, sitzen oder liegen. Die Sequenz können Sie auch gerne für die andere Körperseite anwenden. Halten Sie den Griff so lange es Ihnen bequem ist.
Tiefer Winter
wird der 6. Tiefe zugeordnet mit den Organströmen Zwerchfell- und Nabelfunktionsenergie. Die 6. Tiefe ist die große Energiequelle für unser ganzes Wesen. Auch Quelle genannt. Das Element ist Feuer – das Urfeuer – „der Wille zu sein“. In ihrer allumfassenden Größe vereinigt die 6. Tiefe alle andern fünf Tiefen und Elemente. Das nachfolgende Zitat, bringt das Urfeuer der 6. Tiefe zum Ausdruck.
(Albert Camus)
„Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt“
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unter Frühling *) „alles neu macht der Mai“, Liedtext von Hermann Adam von Kamp (1829)